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Babyschlaf

Schlafen ist ein kontrovers diskutiertes und emotionales Thema, was Eltern im ersten Lebensjahr und auch darüber hinaus sehr beschäftigt. Daher soll dieser Ratgeber dazu dienen, Eltern zu bestärken, indem sie solide Grundkenntnisse zum Thema Entwicklung, Schlafen und Schlafmythen und Tipps zur Verbesserung der Schlafsituation bekommen.

Grundwissen:

  • Evolutionsbedingt sind alle Menschen physiologische Frühgeburten, welche etwa ein Trimester zu früh auf die Welt kommen, d.h. bei Geburt ist ein Baby ein unreifes, hilfloses Wesens, welches auf die Unterstützung seiner Umgebung angewiesen ist, um elementare Grundbedürfnisse zu erfüllen
  • durch die ständige Einwirkung äußerer Rieze muss das Gehirn nachreifen, daher ist die Schlafdauer gerade in den ersten Monaten hilfreich, um Eindrücke im Schlaf zu verarbeiten.

Schlafrhythmus:

  • Niemand schläft durch: jeder Mensch wacht nachts viele Male auf, ohne sich am nächsten Tag daran zu erinnern.
  • Wir alle schlafen in Zyklen:
    • Ständiger Wechsel der Schlafphasen während des gesamten Lebens
    • Bei Erwachsenen dauert so ein Schlafzyklus etwa 90 Minuten und besteht aus Leichtschlaf-, Tiefschlaf-, REM- („rapid eye movement“, „Traumphasen“) und sehr kurzen Wachphasen. Tiefschlaf kommt häufiger in der ersten Nachthälfte vor, in der zweiten Hälfte der Nacht überwiegen die Leichtschlaf- und Traumphasen.
    • Bei Babys dauert ein Schlafzyklus nur etwa 60 Minuten. Dass ein Baby in der Anfangszeit also jede Stunde wach wird, ist physiologisch und absolut unbedenklich. Es ist auch normal, dass Babys nach dem Aufwachen häufiger beruhigt werden müssen, um wieder in die nächste Schlafphase zu finden, da das parasympathische Nervensystem, das so genannte „Beruhigungssystem“, noch nicht vollständig ausgereift ist.
    • Etwa im dritten/vierten Lebensmonat werden die Schlafzyklen länger und nähern sich denen von Erwachsenen an.
    • Babys befinden sich besonders viel im REM-Schlaf, also in der Schlafphase, in der sie die Eindrücke des Tages verarbeiten. Im Gegensatz zu Erwachsenen fallen sie direkt nach dem Einschlafen in den REM-Schlaf. Die bedeutet: je häufiger sie neu einschlafen, desto mehr REM-Phasen durchleben sie und desto mehr können sie den Tag verarbeiten. Daher ist es aus regulatorischer Sicht sogar sinnvoll, dass Kinder in den ersten Lebensmonaten nachts häufig aufwachen und wieder einschlafen.
    • Nach etwa 20 Minuten fällt das Baby dann in den Tiefschlaf. Tipp: Wenn Eltern abends nach dem Einschlafen diese Phase abwarten, bevor sie das Schlafzimmer verlassen, klappt es meist besser, da die Babys nicht so leicht aufweckbar sind.

Individueller Schlafbedarf:

  • Jeder Mensch hat einen individuellen Schlafbedarf (z.B. der Schlafbedarf eines Neugeborenen variiert zwischen 12 und 20 Stunden täglich)!
  • Der Schlafbedarf ändert sich während des Lebens immer wieder!
  • Schlaf-Nacht-Rhythmus stellt sich etwa mit 3-4 Monaten ein
  • Sehr variabel, wann ein Kind den Nachtschlaf als bevorzugte Schlafenszeit festlegt
  • Kinder schlafen so viel, wie sie brauchen (individueller biologischer Rhythmus=genetisch angelegt) Schlafbedarf lässt sich nicht beeinflussen, aber äußerer Faktoren (Licht, Temperatur, Geräusche) sind beeinflussbar

Einschlafbegleitung:

  • Ruhige und reizarme Abende (kein Fernseher, kein Radio, wenn möglich kein Besuch)
  • Routinen und Rituale schaffen Verlässlichkeit und Sicherheit: was wir kennen, führt zu Entspannung!
  • Individuelle Müdigkeit des Kindes am Abend erkennen (19 Uhr muss nicht für jedes Kind die perfekte Einschlafzeit sein).
  • Bereits bei Beginn des Abendrituals, meist Wickeln, Dimmen des Lichtes oder Anschalten des Nachtlichts, um den zirkadianen Rhythmus (Tag=hell, Nacht=dunkel) zu unterstützen.
  • Einschlafen möglichst früh vom Stillen entkoppeln, ggf. abendliches Stillritual auf Sessel oder Sofa verlegen.
  • Kind wach ins Bett legen und nicht in den Schlaf tragen, da ein Stillstand der Bewegung durch Ablegen des Kindes zu Stress bei Eltern und Kind führt (Eltern: „bitte jetzt bloß nicht aufwachen“, Baby: „Nanu, wo bin ich jetzt gelandet und wo sind meine Bezugspersonen?“). Einschlafbegleitung durch Nähe, Zuwendung oder Berührung. Sie finden mit der Zeit heraus, was Ihrem Kind guttut.

Tipps für nächtiches Abstillen:

  • Reden Sie mit Ihrem Partner! Sind Sie selbst emotional bereit zum Abstillen?
  • Wählen Sie einen geeigneten Zeitpunkt: Wochenende, Feiertage, Urlaub. Es sollten keine einschneidenden oder andere belastende Ereignisse vorhanden sein (z.B. KITA-Eingewöhnung)
  • Entkoppeln des Stillens vom Einschlafen (siehe oben Einschlafbegleitung): Regulation nicht nur durch Saugbedürfnis beim Stillen, sondern Co-Regulation insbesondere durch Nähe, Zuwendung, Berührung oder alternative Einschlafhilfen. Solange beide Stillpartner (Mutter, Baby) das Einschlafstillen genießen und damit gut schlafen, spricht nichts dagegen!!! Oft wird nur im Laufe der Zeit der mütterliche Wunsch geäußert, nachts abzustillen, weil sich das Kind sehr häufig zum Stillen meldet, die Mama keinen erholsamen Schlaf mehr findet und sich erschöpft fühlt. Dann kann es sein, dass ein Einschlafen ohne mütterliche Brust schwierig ist, wenn ein Kind sich daran „gewöhnt“ hat, nur über diesen Regulationsmechanismus zu beruhigen.
  • alternative Einschlafhilfen: Streicheln, leise schsch-Geräusche, leise (klassische) Einschlaf-Musik, Schnuller, Schmusetuch, später auch Kuscheltier.
  • Schlafen der Mutter auf der anderen Bettseite oder Umwickeln der Brust mit einer Decke, damit das Baby nicht die ganze Zeit den verlockenden Muttermilchduft riecht.
  • Wenn das Kind nachts aufwacht, nicht unmittelbar stillen, sondern erstmal beruhigen durch Streicheln und Zuwendung, oft schlafen die Kinder dann rasch wieder ein, wenn sie sichergestellt haben, dass die Bezugspersonen noch da sind. Bei merklichem Hunger selbstverständlich stillen oder wenn gewünscht eine Flasche mit Pre-Milch (bei Säuglingen unter 1 Jahr) oder Wasser (bei Kleinkindern über 1 Jahr) anbieten, um das Saugbedürfnis des Kindes zu stillen.
  • Vermeiden Sie es möglichst, nachts herumzulaufen, zu wickeln oder gar auf dem Petziball zu hüpfen, da ihr Baby dann wieder Reizen ausgesetzt ist, die es ihm erschweren können, einzuschlafen.
  • Sollte das Kind weinen, begleiten Sie es dabei, indem Sie es streicheln oder trösten (Weinen begleiten hat NICHTS mit Schreien lassen zu tun!). Es ist normal, dass Ihr Kind protestiert, wenn ein geliebtes Ritual (z.B. Einschlafstillen) wegfällt. Wird aber verlässlich auf die Bedürfnisse des Babys eingegangen, weint oder schreit es insgesamt weniger. Bei Körperkontakt und Zuwendung wird Oxytocin ausgeschüttet, der Gegenspieler von Cortisol (Cortisol=Stresshormon des Körpers). Dadurch entspannt sich das Baby und fühlt sich geborgen und wird auch im Verlauf besser schlafen. Lassen Sie Ihr Kind also bitte nicht allein.
  • Bleiben Sie ruhig, auch wenn es nicht sofort gelingt, einen besseren Babyschlaf zu etablieren! Es braucht Zeit und Geduld, bis die Umstellung zu einer Verbesserung der Schlafsituation führt.
  • Ein Kind muss nicht lernen zu schlafen, es muss aber lernen, zu vertrauen, nachts nicht alleine gelassen zu werden (bedürfnisorientierte Fremdregulation).
  • Wichtig: Lassen Sie sich nicht von Außenstehenden (Großeltern, andere Mamas, …) hereinreden! Das hier sind auch nur Anregungen. Jede Familie weiß am besten, was Ihnen guttut.

Tipps für entspanntere Nächte:

  • Tagsüber mehrere kleine Schläfchen, da jeder Schlaf dazu führt, dass Ihr Kind die vorangegangen Reize besser verarbeiten kann
  • Kleinkinder machen häufig einen zu kurzen Mittagsschlaf, haben aber eigentlich ein größeres Schlafbedürfnis. Es ist manchmal sinnvoll, sie erneut in den Schlaf zu begleiten, wenn sie nach einer kurzen Schlafphase erneut aufwachen. Sollte Ihr Kind auch nach längeren Versuchen nicht wieder einschlafen, versuchen Sie das nächste Zeitfenster abzupassen. Denn wie schon oben beschrieben, können häufigere Schläfchen tagsüber zu besseren Nächten führen, da nachts dann weniger Eindrücke verarbeitet werden müssen.
  • eine „Traummahlzeit“ gegen 23 Uhr, damit der Magen dann gut gefüllt ist, um eine etwas längere Phase zu überstehen.

Zu guter Letzt: Bitte verwenden Sie nicht die „Ferber-Methode“ aus dem Buch „Jedes Kind kann schlafen lernen“. Dabei wird empfohlen, das Kind müde und satt ins Bett zu legen und dann nach vorgegebenem Plan den Raum zu verlassen und nicht auf die Reaktionen des Kindes zu reagieren. Dieses Verhalten führt bei Kindern zu Stress, Angst und Hilflosigkeit. Die Kinder verstehen nicht, warum Mama und Papa nicht kommen und ihnen helfen. Irgendwann hören Kinder auf zu weinen und zu schreien – sie resignieren und „schalten ab“.  Wenden Sie sich bei Schlafproblemen bitte an Ihren Kinderarzt oder einen zertifizierten Schlafberater.

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